Meine Aquaponik-Fehler: Teil 6 – Zu wenig Würmer im Biofilter

Fehler helfen beim Lernen. Damit Du aber nicht die gleichen Aquaponik-Fehler machen musst wie ich, beschreibe ich in dieser kleinen Artikelserie meine Fehler beim Bau und Betrieb der Aquaponik.

In einer „klassischen“ Aquaponik gibt es einen Wasserkreislauf, der Fischtanks und Pflanzbeete verbindet. Dabei ist es nicht nur schwierig in den jeweiligen Bereichen optimale Bedingungen für Fische und Pflanzen zu schaffen (pH, Nährstoffe), sondern auch die festen Ausscheidungen der Fische können zu einem Problem in den Biofiltern/Pflanzbeeten werden.

Setzen sich über die Zeit größere Mengen dieser Feststoffe im Substrat der Filter ab, so können sich darin anaerobe (sauerstofffreie), faulende Zonen bilden.
In neueren Anlagenkonzepten wird deshalb entweder das Wasser aus den Fischtanks über Absetzbecken oder Filter geführt, bevor es in die Pflanzbeete geleitet wird, oder es werden gleich getrennte bzw. mehrstufige Kreisläufe für die verschiedenen Bereiche geplant.

Eine Lösung des Problems bei Anlagen mit einem Kreislauf ist es, in die Pflanzbeete Würmer einzusetzen, die die Feststoffe verarbeiten und damit deren Inhaltsstoffe auch noch für die Pflanzen verwertbar machen.

Leider hatte ich zu Beginn keine hinreichende Zahl von Würmern in die Pflanzbeete eingesetzt und es entstanden ein paar tote, faulige Zonen. Mittlerweile ist die Population der Würmer so groß, dass sie sich gut selbst erhält. Einige Würmer werden nämlich auch immer beim Fluten der Beete in die Fischtanks gespült, was die Bewohner stets sehr freut.

Beckenheizung und Elektrik

Nachdem meine Pumpen die letzten Wochen über Timer gesteuert wurden, die an einer Dreiersteckdose hingen, machte der Kälteeinbruch der letzten Tage ein Überarbeiten der Elektrik und den Anschluss von Heizungen notwendig.

Grünkohl, Mangold, Petersilie und Physalis werden regelmäßig abgeerntet/zurück geschnitten, um das Wachstum anzuregen.
Die Isolierung der Tanks ist noch provisorisch und es fehlen Holzverkleidungen der Tanks.

Heizungen verhageln natürlich ganz schön die Energiebilanz des Systems. Doch darf man auch fragen, wie viel Energie der Transport von Lebensmitteln an den nördlichen Rand Deutschlands beansprucht. Und ein bisschen Hobby ist ja auch dabei. 🙂 Trotzdem werde ich den Energiebedarf durch ein Messgerät in der Zuleitung zur Aquaponik erfassen und auch hier veröffentlichen.

Die Schleie könnten grundsätzlich auch ohne Heizung auskommen. Die Pumpen müssten die Oberfläche eine Weile eisfrei halten. Doch die Bakterien des Biofilters stellen so um 4°C das Wachstum ein. Und darunter sterben sie ab. Daher dienen die Heizungen weniger der Pflege der Fische als der Pflege der Biofilter.

Die Anlage hat jetzt zwei Temperatursteuerungen für insgesamt vier 300W Aquarienheizungen. Jede Steuerung hat einen Sensor. Diese hängen jeweils in einem der Tanks. Bei weniger als 6°C Wassertemperatur werden die Heizstäbe eingeschaltet.

Da sich die Wassertemperatur der beiden Tanks bisher nie mehr als 0,5°C unterschied, habe ich nicht beide Heizungen eines Tanks an die Steuerung des Sensors im Tank gehängt, sondern an jede Steuerung je eine Aquarienheizung aus jedem Tank. Falls eine Steuerung ausfallen sollte, müsste so die andere eine gewisse Redundanz darstellen. Schauen wir mal.

Die auf dem Bild zu sehenden, leeren Steckdosen sind für die Pumpen künftiger Pflanzbeete (Frühjahr 2013), Lüfter oder andere Erweiterungen vorgesehen.

Zu viel des Guten…

Nach dem Urlaub prüfte ich erwartungsvoll die Wasserwerte. Leider waren die Nitrat- und Nitritwerte immer noch jenseits des Messbereichs des Teststreifens. Auch ein Austausch der der Hälfte des Wassers eines Tanks brachte keine wirkliche Besserung.

Also griff ich zur radikalen Lösung das gesamte Wasser beider Tanks auszutauschen. Stunden später war das Werk vollbracht. Das erste Anlaufen der Pumpen brachte dann die Werte auch wieder in recht hohe Bereiche, da das Substrat natürlich noch gesättigt war.

Cirka zwei Wochen später hatten sich alle Wasserwerte im grünen Bereich eingependelt. Aber zuviel australisches Laissez-faire soll jetzt ein Ende haben:

Mit dieser Tabelle erfasse ich die wesentlichen Daten (fast) täglich.

WasserwerteAquaponik (OpenOffice-Datei als Download)

Bleibt nur noch eine Frage offen – wo bleibt der Fisch?

She’ll be alright, mate

Wenn ein Australier obigen Satz (frei übersetzt: Alles wird gut!) sagt, gilt
1. dass er es – meist – wirklich so meint und
2. dass man sich wohl – nach mitteleuropäischen Maßstäben – wirklich Sorgen machen müsste.

Weil die meisten Videos, die ich zur Aquaponik angesehen habe, australische waren, habe ich wohl etwas zu viel vom australischen Lebensmotto und etwas wenig deutsche Gründlichkeit beim Aktivieren der Biofilter angewendet…

Sonst hätte ich wohl nicht die Situation das die Nitrit- und Nitratwerte in Fischtank 1 z.Z. aus dem Messbereich des Schnelltests heraus sind.

Zu meiner Verteidigung kann ich allerdings sagen, dass ich, wie bei Bernstein beschrieben, mit den Ammoniakgaben aufgehört habe, als Nitrit 10 mg/l erreichte.

 

Wie man sieht, ist auch der pH-Wert rasant (innerhalb von zwei Tagen) aus dem Achter-Bereich um mehr als einen Wert gefallen. Da hätte ich wohl dem Thema Basen-/Säurenpuffer größere Aufmerksamkeit widmen sollen. So habe ich schon während der Gabe von Ammoniak den anscheinend sehr hohen pH-Wert mit Essig herabgesetzt. Offensichtlich war das eine unnötige Maßnahme, jetzt da der Ammoniakwert abnimmt.

 

 

 

 

Die Nitrate zeigen sich jetzt auch im zweiten Tank, der bisher algenfrei war, durch ein beginnendes Algenwachstum. In Fischtank 1 kann man die Pumpe schon nicht mehr sehen und Tank 2 entwickelt gerade eine leichte Grünfärbung.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Nährstoffe erfreuen auch die fast abgestorbenen Pflanzen in Pflanzbeet 1. Hier eine Petersilienpflanze:

Nitrate – endlich!

Heute hat der Wassertest endlich nicht nur leichte Nitritwerte sondern auch Nitrate angezeigt! Damit ist klar, dass jetzt beide Stufen des Biofilters funktionieren – und ich tatsächlich wohl anfangs zu wenig Ammoniak zugeführt habe.

Teststreifen für Nitrat, Nitrit, Härte und pH (von links)

Und auch die Ammoniakwerte sind wieder runter gegangen. Der Ammoniaktest besteht aus drei Reagenzien, die in festgelegter Reinfolge in ein Probeglas mit 5 ml Wasser aus dem Fischtank gegeben werden. Ein zweites Glas wird mit einer 5 ml Vergleichsprobe des gleichen Tanks gefüllt.

Die Blindprobe wird über die Farbkarte geführt, bis Blindprobe und Probe mit Reagenzien die gleiche Farbe zeigen. Auf der Skala kann dann der Wert für den Ammoniakgehalt abgelesen werden.

Das Wasser hat allerdings mittlerweile eine ganz schön grüne Farbe angenommen. Zum Glück werden die Bewohner des Tanks herbivor – pflanzenfressend  – sein….

Einfahren / Aktivieren des Biofilters

Das Problem

Bei dem Biofilter einer Aquaponik stößt man auf das typische Henne-Ei-Problem: Setzt man Fische in ein neues System, existieren dort noch keine Bakterienteppiche auf dem Substrat, die das Wasser von Ammoniak in den Ausscheidungen der Fische reinigen können. Ohne diese Reinigung vergiften sich die Fische nach einer Weile selbst.

Ohne Fische bilden sich aber auch keine Bakterien, da diese im sauberen Wasser keine Nahrung (=Ammoniak) finden.

Die Lösung

Bevor Fische in das System eingesetzt werden, gibt man kontrolliert Ammoniak dazu.

Dazu benötigt man

  • Teststreifen für pH-Wert (Aquarienhandlung),
  • Test für Ammoniakgehalt des Wassers (Aquarienhandlung),
  • Ammoniaklösung (Apotheke) und
  • Essig falls das Wasser zu basisch wird.

Meine Apotheke um die Ecke hat mir Ammoniaklösung nur gegen Adressnennung – in Australien ist es angeblich als Bestandteil von Sprengstoffen verboten – und Unterschrift über Erhalt einer Gefahrenbelehrung verkauft. Früher war so was mal ein Haushaltsreiniger… Trotzdem sollte man besser Schutzhandschuhe und Schutzbrille tragen und das Einatmen vermeiden.

Die Prozedur, die vor drei Tagen begonnen habe, folgt den Anweisungen des Buches „Aquaponic Gardening“ von Sylvia Bernstein (s. Literaturtipps).

Vorgehen (nach Bernstein, 2011)

  • Das System bepflanzen.
  • Ammoniak zugeben bis 2-4 ppm erreicht sind. Die gebrauchte Menge notieren. Bei meinem Tank (ca. 600 l) brauchte ich drei Schnapsgläser 25%iger Ammoniaklösung.
  • Diese Menge gibt man täglich zu, bis mindestens 0,5 ppm Nitrit im Wasser messbar sind. Falls der Ammoniakpegel gegen 8 ppm geht, wartet man so lange mit weiteren Ammoniakgaben, bis er wieder auf 2-4 ppm zurück geht. Da der Anstieg bei mir recht schnell ging, habe ich von Anfang an nur zwei Schnapsgläser Ammoniak pro Tag zugegeben.
  • Sobald Nitrit erscheint, werden die Ammoniakgaben halbiert. Falls der Nitritpegel über 5 ppm geht, mit den Ammoniakgaben aufhören, bis der Pegel auf 2 ppm fällt.
  • Sobald Nitrat 5-10 ppm erreicht, wartet man bis Nitrit- und Ammoniakpegel auf Null sind. Dann kann man Fische einsetzen.
  • Der pH-Wert sollte bei 6,8 bis 7,0 liegen und kann vorsichtig mit Essig (zu hohe Werte) oder Calciumcarbonat (zu niedrige Werte) eingestellt werden – bevor Fische eingesetzt werden.

Was passiert dabei im Biofilter?

Durch die Zugabe von Ammoniak finden Bakterien Nahrung, die Ammoniak in Nitrit umsetzen. Dieses Nitrit dient dann wieder anderen Mikroorganismen als Energiequelle. Bei der Oxidation von Nitrit (NO2) entsteht Nitrat (NO3). Dieser Prozess ist der zweite Schritt in der Nitrifikation von Ammoniak (NH3) zu Nitrat. Das Nitrat dient den Pflanzen als Dünger.